(Okay, die da drüben haben dieses Projekt aus der Taufe gehoben, und in der ersten Woche geht es um Neubeginn. Eigentlich sollen das nur ein paar Zeilen pro Woche sein, aber irgendwie ist es diesmal etwas mehr geworden. Wer das nicht alles lesen will: Den Bezug zum Thema der Woche findet man im letzten Absatz.)
Ich habe bisher bewusst vermieden, über Bastion zu schreiben, weil es kaum ein Spiel gibt, das so sehr davon profitiert, wenn der Spieler es vorbehaltlos beginnt uns sich überraschen lässt. Ich bin so verdammt froh, dass ich es spielte, bevor es aus diversen Richtungen derart abgefeiert wurde: Zuviel Lob macht misstrauisch, und der innere Schweinehipster wehrt sich zu gerne dagegen, etwas toll zu finden, dass andere schon vor mir mögen. Inzwischen hats wohl jeder gespielt oder abgehakt, insofern kann ich endlich vom besten Spiel des Jahres schreiben. Aber Spoiler markiere ich trotzdem, ich feiner Kerl.
SPOILERABSATZ:
Ein Beispiel für den ersten Satz des vorherigen Absatzes: Ich kann die Begeisterung für den Soundtrack durchaus nachvollziehen, aber hätte ich ihn aufgrund der zahlreichen enthusiastischen Tweets vor dem Spielen gehört, hätte ich die ganze Zeit gewartet, wann denn nun dieser Song vorkommt. So hingegen haute es mich total um, dass da plötzlich jemand sang, dass es überhaupt Songs gibt – diese Überraschung war ein besonderer Moment, der mir sonst entgangen wäre. Ich meine, ich wusste noch nichtmal vom Sprecher.
Doch abseits der gelungenen Idee, die Sportspielkommentatoridee in ein anderes Genre zu verpflanzen, abseits von Story, Texten und Soundtrack finden sich großartige simple Spielmechaniken wie die Automaps unnütz machende Weltneukonstruktion, der frei wählbare und genau den eigenen Wünschen anpassbare Schwierigkeitsgrad und die Gratisrespecoption, eine Einladung zum Herumprobieren und -experimentieren. Gleichzeitig ist es eine erfrischende Oase des Minimalismus im Einerlei des Größerschnellerweiter: Wenige Gegnertypen, aber alle mit unterschiedlichen Angriffsmustern, nur zwei Handvoll Waffen, dafür extreme Unterschiede in Handling und Anwendungsmöglichkeiten, kein Satz zuviel gesprochen, dafür jede Beschreibung ein Blick in eine fremde Welt, jeder Spruch getimet und jede Zeile poliert und wieder und wieder überarbeitet, bis sie perfekt passt (diese Sorgfalt im Skript sorgte im Übrigen jedesmal für leichtes Kotzen meinerseits, wenn Menschen ihre Texte über Bastion mit fahlen Imitationen desselbigen begannen).
Überhaupt: Kreativität quillt aus jedem Pixel. Keine Fortsetzung, kein Franchise, kein wie auch immer gearteter Bezug auf Fremdmaterial. Das hier ist die Welt von Supergiant Games, wir sind nur zu Gast. Wie sie die Welt präsentieren, mit einem Satz, wo andere zwei Absätze benötigten, und gerade genug verraten, um des Spielers Phantasie anzuregen – sowas ist immer noch viel zu selten in diesem unserem Hobby.
Trotz der bunten und fröhlichen Grafik spielt Bastion in seiner eigenen Version der Postapokalypse, ohne aber den Fehler zu machen, den Kontrast zwischen Optik und Inhalt für als edgy Statement zu sehen bzw. es als billige Punchline zu nutzen. In solche eine farbige Welt passt schlichtweg kein Schwarz und Weiß, demnach verzichtet Bastion auch auf billige “OR IS HE??”-Twists und Abziehbildschurken. Würde es zu weit gehen, wenn ich jetzt noch einen Absatz darüber schreibe, wie scheiße ich das Fantasyklischee von bösen Völkern finde? Ja, definitiv. Bastion verzichtet jedenfalls auch darauf.
AB HIER NUR NOCH SPOILER
Als das Thema für diese Woche genannt war, war Bastion mein erster Gedanke. Denn Neubeginn ist der Sinn der Bastion, ist sie doch eine gigantische Maschine, die die Zeit bis zu einem Punkt vor der Katastrophe zurückdrehen kann. Die Aufgabe des Spielers ist lediglich, am Ende zu entscheiden, ob dies tatsächlich die richtige Wahl ist – und ich übertreibe nicht, wenn ich zugebe, dass ich vier Minuten nachdachte, was ich tun sollte (also ungefähr 236 Sekunden länger als bei sonstigen Ingame-Gewissensfragen), so einfach die Wahl auch klingen mag, wenn man nur diesen Text liest, und trotz der Existenz des Savegames direkt vor der Fragestellung. Denn was Bastion so richtig toll macht, neben all dem bereits genannten: Es bringt dich dazu, das Schicksal seiner Figuren ernst zu nehmen. Und das ist gar nicht so prätentiös, wie das hier klingt. Seit Persona 4 war es mir nicht mehr so wichtig, dass erfundene Figuren glücklich sind.
Ich wählte weise.