Auch wenn die Verkaufszahlen eine andere Geschichte erzählen, kann ich wohl doch davon ausgehen, dass nicht jeder von euch einen Wii hat. Doch selbst wenn ich diesen Artikel auf einer Seite namens wiiplayersonly.de veröffentlichte, wüßte ich nicht, ob euch Boom Blox ein Begriff wäre. Ich habe keinerlei Gespür für den Bekanntheitsgrad von Objekten popkulturellen Interesses, weil ich halt ein verdammter Internerd bin, der von der Angst beherrscht wird, eines Tages mal nicht “Kenn ich schon” sagen zu können.
Aber Boom Blox ist auch schwer einzuschätzen – einerseits sicherlich häufig gefeatured als Steven Spielbergs erstes Spiel (merkt man jetzt nicht so…), andererseits halt so bunt, knuffig und minderheitengenreangehörig, dass Norbert Normalnerd oder gar Alexander Ausgeglichenermenschmitanderenhobbiesderauchmalrausgehtundso gerne daran vorbeisehen respektive -denken.
Boom Blox, um mal zum Thema zu kommen, ist viel, aber vor allem durchdacht. Viele schlaue Köpfe und ein dummer müssen sich zusammengesetzt haben, um auch jeden möglichen Spielmodus aus Klötzen und Gewalteinwirkung herauszukitzeln. Ganz grob lassen sich die Spielmodi zweiteilen: Entweder versucht man durch den Einsatz einer Fernwaffe (Baseball, Gummiball, Bowlingkugel, Laserpistole, Schrotflinte, Wasserschlauch etc.) möglichst effizient Schaden anzurichten, was unter Umständen zu spektakulären Kettenreationen führt, oder man greift einzelne Steine und versucht, diese möglichst kontrolliert aus dem jeweiligen Konstrukt herauszulösen, was manchmal natürlich sehr stark an Jenga erinnert.
Diesen Grundideen werden im vier Szenarien umfassenden Abenteuermodus (der Storymodus, wenn man denn möchte) für so unterschiedliche Aktivitäten genutzt wie Katzen beschützen, Edelsteine ernten, Affen durch Labyrinthe lotsen, nach Gold graben, Sprengungen, Belagerungen und allgemeine Zerstörung. Mir als altem Destruktivisten kam letzteres fast ein wenig zu kurz, und manche Modi sind auch einfach nicht wirklich spassig. Zusätzlich zum Abenteuer gibt es noch die Erforschung, hier sind die Level hauptsächlich nach Spezialsteinen sortiert, als da wären Punktesteine (geben beim Aufprall je nach Aufdruck Plus- oder Minuspunkte), Bombensteine (machen Boom!), Chemieblöcke (machen auch Boom!, wenn zwei aufeinandertreffen) und Auflöseklötzer (drehen die Schwerkraft um. Nee, Quatsch, lösen sich auf, wenn sie getroffen werden). Es gibt noch mehr Spezialsteine, wie Raketen, Eis- oder Wolkensteine, aber die finden lediglich in den schwierigeren Challenge-Levels sowie im Editor Verwendung, sofern man sie bereits freigeschaltet hat. Jeder Level vergibt eine Medaille für wenige Würfe oder schnelle Vollendung, aber das Spiel hat bis kurz vor dem Ende des Abenteuermodus einen recht moderaten Schwierigkeitsgrad, der auch Grobmotorikern wie mir das Leben nicht schwer macht, zumal die Retry-Funktion sehr schnell ist. Immer schön.
Ohne dass man sich groß anstrengen müsste, schaltet man per Abenteuer oder Erforschung neue Waffen, Hintergründe oder Viecher für den Editor frei. Letztere sehen angenehm beknackt aus, sind fast durchgehend quaderförmige Cartoontiere und haben von Natur aus simple KI-Routinen, die findigen Editoren stundenlangen Spaß bescheren können. Ich bin leider kein findiger Editor, aber ich hab mich zumindest über die Viechbeschreibungen und Namen gefreut.
Gesteuert wird mit der Wiimote plus wahlweise dem Numchuck, was ich aber erst gelesen habe, als ich das Spiel schon wieder zurückgebracht habe (Disclaimer: I only rented. Buy at your own risk). Mit Numchuck oder gehaltener B-Taste bewegt man die Kamera, mit dem Cursor zielt man, mit A und Wiimoteschwung wirft man. Die Steuerung funktioniert super, nur im Coop hat sich der Cursor manchmal um 90° gedreht oder so, ging dann aber wieder weg. Der Multiplayerpart umfasst bis zu vier Spieler, die mit- oder gegeneinander (bei bestimmten Spielen sogar mit nur einer Wiimote) diversen Kram machen. Etwas unglücklich ist die Entscheidung, Cooplevel nacheinander freizuspielen, denn die anfänglichen sechsmal Shooting Range sind nicht wirklich spassig, und die folgenden sechs Mal Jenga, kombiniert mit meinem Ungeschick, verhinderten weitere Blicke auf Coopmodes. Vs. habe ich gar nicht gespielt, aber da gab es einen Gegenseitig-die-Burg-Kaputtmach-Modus, der durchaus Potential haben könnte. Zur Verteidigung der Entwickler muss ich noch anmerken, dass es die Möglichkeit gibt, eine bunte Mischung aus Multimodi zu spielen, ohne die entsprechenden Stages erst freizuspielen. Rückwirkend betrachtet hätten wir vielleicht einfach das machen sollen. Naja.
Eigentlich habe ich nicht viel auszusetzen. Manche Missionen erfordern Schnelligkeit, was gemütlicheren Naturen zuwider sein könnte. Die Goldgräbermissionen enden dank Gummiball schnell in einer Peggle-ähnlichen “Throw & Pray”-Mentalität. Aber trotz der wenigen Kritikpunkte, dem wirklich coolen Editor, der spektakulärste Explosionen ermöglicht, wie Youtube bereits zeigt, der Internetbegeisterung und dem frischen Spielprinzip konnte mich Boom Blox nach Beendigung der Erforschung- und Abenteuermodi nicht mehr so recht begeistern. Das Problem ist halt einfach der oben erwähnte dumme Kopf, der unbedingt seine Spielideen noch mit rein bringen wollte. Da hat man so viel Potential, aber verschwendet es für viel zu viele Moorhuhnlevel, zu einfachen Greifkrams und “Schaffst du es, 30 Steine in einer halben Minute wegzunehmen?”-Totalausfällen. Zudem fehlt mir die Motivation, in Leveln Gold zu holen, die auf Schnelligkeit basieren. Unlockables bringen mir nicht viel, weil ich einfach kein Levelbauer bin, nie war und nie sein werde (außer bei Stunts, aber wer hat da nicht Levels gebaut?). Und, so sehr ich dieses Argument auch hasse, wenn es auf Guitar Hero angewendet wird:
Schon geiler. Auch ohne Boom.