Monthly Archives: May 2008

Bauklötze: Check. Staunen: Geht so

Auch wenn die Verkaufszahlen eine andere Geschichte erzählen, kann ich wohl doch davon ausgehen, dass nicht jeder von euch einen Wii hat. Doch selbst wenn ich diesen Artikel auf einer Seite namens wiiplayersonly.de veröffentlichte, wüßte ich nicht, ob euch Boom Blox ein Begriff wäre. Ich habe keinerlei Gespür für den Bekanntheitsgrad von Objekten popkulturellen Interesses, weil ich halt ein verdammter Internerd bin, der von der Angst beherrscht wird, eines Tages mal nicht “Kenn ich schon” sagen zu können.

Aber Boom Blox ist auch schwer einzuschätzen – einerseits sicherlich häufig gefeatured als Steven Spielbergs erstes Spiel (merkt man jetzt nicht so…), andererseits halt so bunt, knuffig und minderheitengenreangehörig, dass Norbert Normalnerd oder gar Alexander Ausgeglichenermenschmitanderenhobbiesderauchmalrausgehtundso gerne daran vorbeisehen respektive -denken.

Boom Blox, um mal zum Thema zu kommen, ist viel, aber vor allem durchdacht. Viele schlaue Köpfe und ein dummer müssen sich zusammengesetzt haben, um auch jeden möglichen Spielmodus aus Klötzen und Gewalteinwirkung herauszukitzeln. Ganz grob lassen sich die Spielmodi zweiteilen: Entweder versucht man durch den Einsatz einer Fernwaffe (Baseball, Gummiball, Bowlingkugel, Laserpistole, Schrotflinte, Wasserschlauch etc.) möglichst effizient Schaden anzurichten, was unter Umständen zu spektakulären Kettenreationen führt, oder man greift einzelne Steine und versucht, diese möglichst kontrolliert aus dem jeweiligen Konstrukt herauszulösen, was manchmal natürlich sehr stark an Jenga erinnert.

Diesen Grundideen werden im vier Szenarien umfassenden Abenteuermodus (der Storymodus, wenn man denn möchte) für so unterschiedliche Aktivitäten genutzt wie Katzen beschützen, Edelsteine ernten, Affen durch Labyrinthe lotsen, nach Gold graben, Sprengungen, Belagerungen und allgemeine Zerstörung. Mir als altem Destruktivisten kam letzteres fast ein wenig zu kurz, und manche Modi sind auch einfach nicht wirklich spassig. Zusätzlich zum Abenteuer gibt es noch die Erforschung, hier sind die Level hauptsächlich nach Spezialsteinen sortiert, als da wären Punktesteine (geben beim Aufprall je nach Aufdruck Plus- oder Minuspunkte), Bombensteine (machen Boom!), Chemieblöcke (machen auch Boom!, wenn zwei aufeinandertreffen) und Auflöseklötzer (drehen die Schwerkraft um. Nee, Quatsch, lösen sich auf, wenn sie getroffen werden). Es gibt noch mehr Spezialsteine, wie Raketen, Eis- oder Wolkensteine, aber die finden lediglich in den schwierigeren Challenge-Levels sowie im Editor Verwendung, sofern man sie bereits freigeschaltet hat. Jeder Level vergibt eine Medaille für wenige Würfe oder schnelle Vollendung, aber das Spiel hat bis kurz vor dem Ende des Abenteuermodus einen recht moderaten Schwierigkeitsgrad, der auch Grobmotorikern wie mir das Leben nicht schwer macht, zumal die Retry-Funktion sehr schnell ist. Immer schön.

Ohne dass man sich groß anstrengen müsste, schaltet man per Abenteuer oder Erforschung neue Waffen, Hintergründe oder Viecher für den Editor frei. Letztere sehen angenehm beknackt aus, sind fast durchgehend quaderförmige Cartoontiere und haben von Natur aus simple KI-Routinen, die findigen Editoren stundenlangen Spaß bescheren können. Ich bin leider kein findiger Editor, aber ich hab mich zumindest über die Viechbeschreibungen und Namen gefreut.

Gesteuert wird mit der Wiimote plus wahlweise dem Numchuck, was ich aber erst gelesen habe, als ich das Spiel schon wieder zurückgebracht habe (Disclaimer: I only rented. Buy at your own risk). Mit Numchuck oder gehaltener B-Taste bewegt man die Kamera, mit dem Cursor zielt man, mit A und Wiimoteschwung wirft man. Die Steuerung funktioniert super, nur im Coop hat sich der Cursor manchmal um 90° gedreht oder so, ging dann aber wieder weg. Der Multiplayerpart umfasst bis zu vier Spieler, die mit- oder gegeneinander (bei bestimmten Spielen sogar mit nur einer Wiimote) diversen Kram machen. Etwas unglücklich ist die Entscheidung, Cooplevel nacheinander freizuspielen, denn die anfänglichen sechsmal Shooting Range sind nicht wirklich spassig, und die folgenden sechs Mal Jenga, kombiniert mit meinem Ungeschick, verhinderten weitere Blicke auf Coopmodes. Vs. habe ich gar nicht gespielt, aber da gab es einen Gegenseitig-die-Burg-Kaputtmach-Modus, der durchaus Potential haben könnte. Zur Verteidigung der Entwickler muss ich noch anmerken, dass es die Möglichkeit gibt, eine bunte Mischung aus Multimodi zu spielen, ohne die entsprechenden Stages erst freizuspielen. Rückwirkend betrachtet hätten wir vielleicht einfach das machen sollen. Naja.

Eigentlich habe ich nicht viel auszusetzen. Manche Missionen erfordern Schnelligkeit, was gemütlicheren Naturen zuwider sein könnte. Die Goldgräbermissionen enden dank Gummiball schnell in einer Peggle-ähnlichen “Throw & Pray”-Mentalität. Aber trotz der wenigen Kritikpunkte, dem wirklich coolen Editor, der spektakulärste Explosionen ermöglicht, wie Youtube bereits zeigt, der Internetbegeisterung und dem frischen Spielprinzip konnte mich Boom Blox nach Beendigung der Erforschung- und Abenteuermodi nicht mehr so recht begeistern. Das Problem ist halt einfach der oben erwähnte dumme Kopf, der unbedingt seine Spielideen noch mit rein bringen wollte. Da hat man so viel Potential, aber verschwendet es für viel zu viele Moorhuhnlevel, zu einfachen Greifkrams und “Schaffst du es, 30 Steine in einer halben Minute wegzunehmen?”-Totalausfällen. Zudem fehlt mir die Motivation, in Leveln Gold zu holen, die auf Schnelligkeit basieren. Unlockables bringen mir nicht viel, weil ich einfach kein Levelbauer bin, nie war und nie sein werde (außer bei Stunts, aber wer hat da nicht Levels gebaut?). Und, so sehr ich dieses Argument auch hasse, wenn es auf Guitar Hero angewendet wird:

Schon geiler. Auch ohne Boom.

…and it will be my last

“Das ist ja gar nicht meine Gitarre.”
Natürlich ist das meine Gitarre. Genauer gesagt ist es mein einer Gitarre nachempfundener Playstation2-Controller, der Guitar Hero beilag. Allerdings hatte ich berechtigterweise den Guitar Hero 2-Controller in der Guitar Hero 2-Hülle erwartet, aber meine eigene Unordentlichkeit schlug mir wieder mal ein Schnippchen.
“Ist die nicht gut?”
Meine Freundin ist ziemlich gut darin, mir Stichworte zu geben, damit es nicht gar so sehr wirkt, als spräche ich mit mir selber.
“Naja, die hat doch SpielerEins kaputt gemacht.”

Eigentlich ist nur der Tremolo ein wenig mackig, was im Coopmodus aber nicht so wichtig ist, da wir uns beim Starpowereinsatz eh fast immer verspielen. Im Übrigen wird SpielerEins in den Kommentaren vehement abstreiten, etwas mit dem leichten Defekt meines Controllers zu tun zu haben.

Ich fummel den Träger an die Gitarre, während das Spiel lädt. Ich habe lange nicht mehr gespielt, ein fragiles Ego und befürchte, mit der von mir nicht favorisierten Gitarre schlechter zu spielen, als ich könnte. Meine Geliebte (ich werde zwecks Anonymisierung im Laufe dieses Texts einfach alle Synonyme für Freundin aus dem Onlinelexikon nehmen, um Wiederholungen zu vermeiden) lässt sich auf keine Diskussionen ein und nimmt den Controller in den Hand, spielt es wie Amplitude. Mit der Spielzeug-Gitarre kommt sie sich albern vor, sagt sie. Mit Spielzeug-Bongos allerdings nicht. Vor kurzem hat sie mir gedroht, dass, so ich mir jemals Rock Band leisten kann, sie sich an die Drums setzen werde, weil Gitarren und Gesang nicht drin wären. An mein Drumset! Deshalb kauf ich das Spiel doch überhaupt!

Der Titelbildschirm. Die Auswahl des ersten Songs ist wichtig: Am besten was Beliebtes, auf jeden Fall nichts Schweres. Sweet Child of Mine. Ich Expert-Bass, sie Easy-Gitarre. Sie könnte auch Medium, aber wir spielen hier ja nur zum Spaß. Ich krieg nie die Lead Guitar, weil meine Auserwählte den Bass nicht raushört, und ohne auditives Feedback ist GH nur Reaktionstest. Der Song beginnt, meine Flamme spielt das geilste Intro im Rock, ich hauptsächlich Dum-du-dum-du-dum-du-du-di-dum. Gute Punktzahl, kein Highscore. Ich stelle fest, dass wir noch nicht alle Bonussongs gespielt haben, spielen Collide (doofe Strophe, gut zu spielen), Elephant Bones (komischer Song, so mittel), Fall of Pangea (zu trve für meine Gespielin und echt nervig zu äh, spielen). Nach etwa zwei Dritteln davon:

>Meine Liebhaberin: “Dauert das noch lange?”
Ich so: “Nee, ich glaub nicht. Wieso?”
Mein Liebling: “Ich glaub da klopft jemand.”
Ich lausche. Wir wohnen hier noch nicht lange und sind etwas ängstlich, uns die neuen Nachbarn schon jetzt zum Feind zu machen. Ist immerhin schon nach 22:00.
“Ich hör nichts.” Das stimmt so nicht. Ich höre meinen Kater, wie er wie besessen hinter einem rollenden Katzensnack herjagt.
“Da.” sagt meine Liebste.
Ich höre ein entferntes Hämmern, als ob auf dem Friedhof diverse dahingeschiedene Autoren aufgrund meiner einfallslosen und völlig den Stil des restlichen Texts brechenden Freundinnenersatzwörter ihre Köpfe gegen die Sargdeckel schlügen . Ich meine, dass ein “Leise, ihr Penner!”-Klopfen anders klänge, aber lieber Vorsicht walten lassen.
“Wollen wir aufhören?” Ein Satz, der mir nur schwer über die Lippen geht. Ich hasse es, Highscores zu opfern.
“Nee, lass den noch zu Ende spielen.”
“Ich mach mal leiser.”
Das tat ich auch. Leise ist Guitar Hero aber scheise. Zumindest bei weitem nicht die unkomplizierte Freude, die es sonst ist. Wir beenden den Song, der noch viel länger dauert, als ich dachte (und das tut er immer).
“Den spiel ich nie wieder, egal wie das Ergebnis ist” sagt meine Partnerin. Oh Gott, denke ich. Und wenn wir jetzt nur vier Sterne haben?
Wir haben nur vier Sterne. Egal, wenn wir das nächste Mal spielen, hat sie den Namen schon wieder vergessen, und wenn der Song dann erstmal läuft, ist es zu spät. Hahaha! Welch teuflischer Plan! Noch teuflischer wäre er nur, wenn sie meine Texte nicht lesen würde.
Eigentlich wollen wir jetzt Lego Star Wars spielen, aber aus Gründen, die ich nun, drei Stunden später, tatsächlich nicht mehr ergründen kann, hole ich den Kopfhörer und schließe ihn an den Fernseher an.
“Ähm, ich spiel noch ein Stück, okay?”
Es ist okay. Mein Schatz geht rauchen, ich searche und destroye mit Iggy. Danndanndadada… ich weiß nicht, warum ich den Song immer spiele. Ich mag die Stooges eigentlich gar nicht, aber die Strophe ist cool, die Bridge ist geil, ja, und der Refrain halt auch. Hmm. Am Ende der Schock: Kein neuer Highscore. Fünf Namen stehen da an der digitalen Klowand, dreimal meine Band aus dem Karrieremodus, zweimal meiner. So sieht das bei jedem Song aus. Auch bei den anderen Guitar Heroes. Und allen anderen Spielen mit Highscoreliste. Nicht weil ich so gut bin, sondern weil ich keine Freunde hab. Und trotzdem Highscorelisten liebe. Vielleicht kommt ja mal jemand, und spielt bei mir Gitarre, sieht dann meine Scores und denkt sich:
“Mann, was für ein peinlicher Gesell, erspielt da in wochenlanger Arbeit alleine seine Rekorde und schaut mich jetzt auch noch so mit gespielter Bescheidenheit an. Den besuch ich nie wieder!”
Grmbl.
“Ähm, ein Song noch?” Mein Verhältnis nickt, holt sich Nähzeug. Echt. Die macht sowas. Carry On Wayward Son packt mich. Das ist so doof und peinlich, dass ich es natürlich gleich niedertippen und auf eine Internetseite packen muss, aber es ist die Wahrheit. Ich habe seit Ewigkeiten nicht mehr gespielt, aber plötzlich fällt mir im richtigen Moment ein, dass in den Strophen nach vielen coolen Einzelnoten ein bis zwei Akkorde kommen. Und ich treff sie. Und ich schaff die Hammer-Ons. Und ich verliere das Gefühl, das ich den Ton nur indirekt erzeuge. Ich wippe peinlich. Ich grinse peinlich. Ich hab fast fünfzigtausend Punkte mehr als bisher.
“Wollen wir um Elf dann anfangen?” Meine ständige Begleiterin stimmt zu. Tonight I’m gonna rock you tonight verhaue ich zwar ziemlich, aber dafür treffe ich viele von den.. Tja, da rächt es sich, dass ich nie in echt Musiker war… Die schnellen gelb-grün… Na toll, jetzt musste ich tatsächlich aufstehen und die Gitarre angucken, welche Farbe der vierte Knopf hat. Hab mehr Stunden damit verbracht als mit jedem anderen Spezialcontroller, aber kenn die Reihenfolge trotzdem nicht. Gelb-Blau-Wechsel, jedenfalls. Trotzdem in der Highscore. Und dann geht es Schlag auf Schlag: Them Bones, Mother, Jessica, das Hammer-On-El-Dorado, Woman. Immer gut. Und alles ist so einfach. Nichts verlernt. Auf die gute alte muscle memory ist Verlass. Der vielbemühte Flow, wenn alles um so besser läuft, desto weniger man sich verkrampft. Es ist egal, wie albern ich ausseh, stocksteif und stehend. Es ist egal, dass das nichts mit echtem Gitarrespiel zu tun hat. Guitar Hero schaltet den Kopf ab, springt dir ins Herz und schreit die Melodien durch die Finger in die Welt hinaus. Holt ihr euch Eure Weltmeisterschaften und Ehrenmedaillen, rettet ihr nur die Welt; ich stehe in einer fiktiven Turnhalle und fühle mich gut.