Monthly Archives: November 2014

Zehn Stufen

Fabian hasste den Keller. Er war dunkel und zugig und selbst jetzt im Sommer kalt. Aber die große Kühltruhe stand dort, und sein großer Bruder hatte ihn geschickt, ihm und seinen Freunden Eis zu holen. Fabian bewunderte seinen Bruder, denn er war groß und schlank und stark und beliebt bei den Mädchen. Alles, was Fabian nicht war.

Fabian drückte den Lichtschalter, aber die einzige und nur schwach leuchtende Glühbirne dort unten hing direkt über der Kühltruhe, im hinteren Teil – das untere Ende der Treppe blieb in Dunkel gehüllt. Er ließ die Tür zum Keller offen, auch wenn seine Mutter schimpfen würde, dass es zieht, aber so waren wenigstens die oberen Treppenstufen beleuchtet. Irgendwann würde hier jemand schlimm stürzen, dachte Fabian, und begann die Treppe hinabzusteigen.

“Eins”, zehn Stufen waren es.
“Zwei”, er zählte immer laut mit.
“Drei”, um nicht zu stürzen.
“Vier”, aber auch, weil ihn der Klang seiner eigenen Stimme beruhigte.
“Fünf”, der Keller hatte ihm schon immer Angst gemacht.
“Sechs”, er spürte jede Furche der alten Holzstufen unter seinen nackten Füßen.
“Sieben”, vielleicht durfte er mit in den Pool, wenn er das Eis brachte.
“Acht”, er hörte seinen Bruder im Garten lachen. Ein lautes, unbeschwertes Lachen.
“Neun”, fast unten.
“Zehen!”, rief etwas erfreut und biss zu.

(Ich schrieb dies, nachdem ich dieses hübsche kleine Büchlein namens Half-Minute Horrors las, eine Sammlung sehr kurzer Schauergeschichten/-bilder/-comics für Kinder und kindische Erwachsene. Viele folgen bekannten Mustern, manche sind von bekannteren Autoren (Lemony Snicket, Neil Gaiman), so ziemlich alle thematisieren Kinder- und Jugendängste, manche sind arg lahm und einige wenige ganz furchtbar großartig (Jon Klassen!). Das da oben ist mein Versuch, den vorherrschenden Stil/Inhalt zu kopieren, inklusive käsigem Buh!-Ende.)

Best of 2013

Dies sind die 2013 erschienenen Spiele, die mir am Besten gefielen, als ich diesen Text ersonn. Dies sind nicht die besten Spiele. Es sind nicht deine Lieblingsspiele. Das ist okay. Zu jedem dieser Titel hätte ich viel mehr schreiben wollen. Was willste machen.


“Five-thousand feet… Ten-thousand feet… Fifteen-thousand feet… Hallelujah.”

Bioshock Infinite
– bestes Spiel von Beginn bis Waffe. Ob das jetzt generell was Gutes ist, muss jeder Spieler für sich entscheiden. Phantastisches World Building, Columbia ist einfach ein wunderschönes, unverbrauchtes Setting, und die Bioshocks sind eh neben ganz wenigen anderen Titeln die einzigen FPSs, die ich tatsächlich genieße zu spielen. Und das “Ping!” der von Elisabeth’ geworfenen Münze war tongewordene Befriedigung.


Brothers ist eine verdammte Mogelpackung. Präsentiert sich zu Beginn und in der Demo als lindgreneskes Skandinaviermärchen und wird dann Schritt für Schritt, behutsam und schleichend zum grausamsten Spiel des Jahres, ohne sich in limboschem Splatter zu verlieren. So viel Blut und Gewalt mit so wenig Worten findste sonst eigentlich nur bei Nicolas Winding Refn. Meine Freundin reichte mir gen Ende ihre Controllerhälfte und sagte: “Hier, mach du. Ich will das nicht.” Eigentlich verrückt, dass ein Spiel so etwas vollbringt. Aber auch großartig. Brothers erzählt seine Geschichte wortlos und lässt dich sprachlos zurück.


Während ich GTA V spielte, spielte GTA V mit meiner Erwartungshaltung, weil es mit Zuckerbrot sparte. Nein, du schaltest nichts frei, wenn du den 20-minütigen Triathlon läufschwimmfährst. Du hast alle Kopfgeldmissionen geschafft? Gratulation. Nein, das wars, nur Gratulation. Viel Spaß beim Yoga! Ohne eine an das Erfüllen der vielen Aufgaben, Nebenquests und Aktivitäten gekoppelten Belohnung existieren diese als Selbstzweck – du machst sie nur, weil du sie machen willst. Oder halt, weil du wie ich auf ein Goodie hofftest.

Ich erinnere mich nicht daran, dass jemals eine Figur so drastisch eingeführt wurde wie Trevor. Sex, Gewalt, okay – aber das ganz und gar nicht klinisch reine Töten eines ehemaligen Protagonisten DURCH einen Protagonisten, gefolgt von einer anscheinend durch nichts motivierten Tötungs- und Zerstörungsorgie, die gleich mal allen ansässigen Kriminellen das Leben kostet oder ihnen den Krieg erklärt – und all das – und das macht Trevor einzigartig im GTA-Kosmos – OHNE dass jemand ihm eine entsprechende Mission gab, ohne Anweisungen per Telefon – eine Mission, die dem gleicht, was Otto-Normal-Aggro sonst zwischen den Missionen macht.

Anstatt Position zu beziehen, macht sich GTA V, gleich South Park, einfach über (fast) alles lustig, ist sich nicht zu schade, die leichten Gags über die moderne Welt zu machen (nur das South Park wesentlich aktueller mit sowas ist: Man merkt GTA seine lange Entstehungszeit deutlich am verhöhnten Puls der Zeit an), und die Bandbreite an Humor reicht von clever zu dick jokes. Sicher kann man da Reife oder Gesellschaftskritik interpretieren, wenn man denn möchte, aber im Kern bleibt GTA ein Spiel über Gewalttaten, Chaos und crazy shit machen. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass die Entwickler das auch genau so wollen. Denn wie es Franklin Clinton, seines Zeichens GTA V-Protagonist, ausdrückt: “I boost cars! And pop motherfuckers! Maturity really isn’t my fucking thing!”


Im Prinzip gibt es ja mindestens drei gleichwertige Arten, wie man Videospiele genießen kann (für die es sicherlich total coole, mir unbekannte Bezeichnungen gibt): Rückgrat, Hirn und.. hmm, ich mag Herz nicht so… Hirn 2? Bauch? Anders ausgedrückt: Spiele, wo die bloße mechanische Eingabe, der direkte Einfluss auf das Spielgeschehen die Glückssynapsen zum Feuern bringt; Spiele, die dir das Gefühl geben, ein superschlauer Smartie zu sein; und der Krams, der dir eine Geschichte, ein Setting oder Charaktere präsentiert, die du mit den gleichen Hirnclustern zu schätzen weißt, die auch andere erzählerische Medien wertschätzen.

Und irgendwie schafft es Gunpoint als eins der wenigen Spiele, alle drei Regionen glücklich zu machen. Die Story um einen Privatdetektiv-Schrägstrich-Industriespion, der in einen Mordfall verwickelt wird, ist, wenn schon nicht originell, so doch zumindest amüsant geschrieben, die Hackingmechanik erlaubt vielfältige Lösungsmöglichkeiten und spaßiges Fallenstellen, und die ungewohnte, aber tighte Sprungsteuerung lädt zu Speedruns ein und fühlt sich fast so gut an wie mein Lieblingsfeature, die Schlag-solange-auf-den-Sicherheitsmann-ein-wie-du-lustig-bist-Option.


Ja, Mount Your Friends ist bescheuert. Und ja, das ist nichts, was man stundenlang am Stück spielt. Oder überhaupt mehr als dreimal. Aber Freude misst man nicht in Minuten, all die geisteswissenschaftlich hochwertigen Erzählspiele kann man nicht gegeneinander spielen und die qwoppige Steuerung macht das Freundestapeln zu etwas ganz Besonderem. Dies und das Stöhnen.


I came to Card Hunter because of the pen-&-paper-aesthetics, but I stayed for the intricate game mechanics. Was zu Beginn nach einer grafisch herausragenden, aber spielerisch recht simplen Verbeugung vor 80er-Jahre-Rollenspiel-Keller-Klischees aussieht, offenbart sich schon nach den ersten paar loot drops als äußerst komplexes, phantastisch motivierendes Strategiekartendingsbums; jedes liebevoll ausgerüstete Stück Equipment (PAPER DOLL) gibt einem deiner drei Helden eine vom Slot abhängige Anzahl von Karten, seine gesamte Ausrüstung bestimmt das Deck, von dem er Karten zieht, die er dann im Kampf anwenden kann. Die Karten sind oft naheliegend zugeordnet (Schuhwerk gibt Bewegungskarten, Waffen Angriff etc.), bis zum Beklopptwerden kombinierbar und zahlreich. Und gerade weil jeder neue Schatz einen dergestalten Einfluss auf die Art und Weise, wie sich der Charakter spielt, hat, anstatt nur einen vernachlässigbaren Bonus von 2,5% auf Magieschaden zu vergeben, war meine Lootlust in Card Hunter ungleich stärker als in jedem anderen Spiel.

Wie sich nach einem Blick auf die Menschen hinter Card Hunter herausstellte, war meine Begeisterung kein Zufall: Jonathan Chey, der Designer von Freedom Force, Joe McDonagh, Mitautor von Bioshock, Farbs, der Bekloppte ROM CHECK FAIL-Macher, und als Design Consultant zwei weitestgehend Unbekannte namens Richard Garfield und Skaff Elias. Sollte es Zufall sein, dass die Köpfe hinter drei meiner verdammten Lieblingsspielen aller Zeiten etwas schaffen, auf das ich so abgeh? Ich glaube nicht an Zufälle. Ich glaube an Entwickler.

Besonders gut gefiel mir auch, dass der Storyüberbau zwar mit altbekannten Nerdklischees spielt, aber sich nicht drüber lustig macht, und die Bebilderung und Flavortexte der einzelnen Abenteuer so verdammt nah am damaligen Original sind, dass man sie küssen möchte. Dies ist kein “LOL, guckt mal, wie naiv das damals war, voll peinlich, ey!”, sondern ein “LOL, guckt mal, wie naiv das damals war, war das nicht toll?” Oh ja. Das war es.


Ich fühlte Scham in Gone Home, als mir klar wurde, dass ich gerade die Unterwäscheschubladen meiner Eltern durchsuchte – das ist außerordentlich, bedenkt man, mit wie wenig Rücksicht auf Intimsphäre man als Videospieler sonst agiert. Dies ist keine vielschichtige Parabel, kein bedeutungsschwangerer und tiefschürfend interpretierbarer Mindfuck, sondern eine Sammlung sehr kleiner, einfacher Geschichten. Geschichten über Autoren, was bei Stephen King irgendwann wack und lazy wirkte, hier aber total gut funktioniert, zumal ich Geschichten über Kreative so viel spannender finde als Geschichten über Spione/Soldaten/Wissenschaftler. Und zu guter Letzt findet sich hier die beste Spielmechanik des Jahres: Die Möglichkeit, den gerade aus dem Schrank gezerrten Gegenstand fein säuberlich wieder zurückzutun. So befriedigend.


Bit.Trip Runner 2: Future Legend of Rhythm Alien und One Finger Death Punch sind pures Rückgratgaming in seiner besten, weil wiederholbaren Form, simpelste Steuerung, 2D, so schnell, enormer Umfang, äußerst befriedigend. Ersteres mit meatboyesken Frustmomenten, dabei aber nie die Frage aufkommen lassend, wie ein Abschnitt zu schaffen sein möge und diesem verflucht verlockenden Risikos des Über-den-Checkpoint-Springens, letzteres mit Früh-Gif-Ästhetik und Zweiknopfsteuerung, die mich badassiger fühlen lässt als all die Slomoexekutionen in Assassin’s Creed.


Ich liebe State of Decay. Dieser Text ist willkürlich sortiert und ich will keine Rangliste draus machen, aber wenn ich eine Rangliste machen wollte, wäre State of Decay auf Platz 1.

Andererseits ist es aber auch dafür verantwortlich, dass dieser Text erst jetzt erscheint und nicht schon, ich weiß nicht, zu einer Zeit, in der ihr euch noch an Spiele von 2013 erinnern konntet? Seit meinem ersten Durchspielen, bei beiden Addons oder auch einfach mal zwischendurch versuchte ich, meine Faszination irgendwie in Worte zu fassen, und es gelang mir schlichtweg nie auf einem Niveau, dass mir dem Spiel genügend erschien. Währenddessen sprach ich zweimal mit Manu in meiner gewohnt souveränen und professionellen Art darüber, und beide Podcasts beendete ich mit dem Gedanken, dass ich wiedern icht das gesagt hatte, was ich mir vorgenommen hatte, und nun schnellstmöglich ebendies verschriftlichen sollte. Vergeblich. Und nun schreibe ich schon wieder nicht über das Spiel, sondern über meine Schwierigkeit, über das Spiel zu schreiben. Es ist ein Crux.

Alright, für einen ausformulierten Text müssten wir vermutlich bis Mitte 2015, und das wäre selbst mir zu spät. Also verkürzen wir das ganze mal auf drei von mir notierte Gedanken, mit anschließender grober Erklärung und, um mich selbst zu strafen ob all dieser Lethargie, in der unkorrigierten Originalform. Ich bin eh nicht qualifiziert, über den Zombie als verschiedene Metaphern zu schreiben.

IT LETZ YOU FAIL – Ein Faktor, der mich in Spielen magisch anzieht. Mission verkackt? Mission verkackt. Keine Reloads. Kein Try Again. Beste Figur verloren? Beste Figur verloren. Für immer. In der letzten Mission, die bei erfolgreichem Abschluss zum Abspann führt, verstorben? Viel Spaß beim Allesnocheinmalspielen! (Ich hatte viel Spaß beim Allesnocheinmalspielen)

ITS SINGLEPLAYER AND YOU DONT SHOOT PEOPEL – Das sind eigentlich zwei Gedanken, mijnheer. Also erstens: Keine Balancingprobleme, weil ich Coopcontent alleine spiele, keine Ganker, keine Cheater, keine Terminabsprache- oder Verbindungsprobleme, kein Always Online, ich kann anfangen und aufhören wann ich will, keine Lobbies, kein Headset, keine MP-Achievements, kein Neid bzw. Mitleid ob des Skills des Mitspielers. Zweitens, und ich weiß wirklich nicht, warum ich damals diese beiden Punkte zusammengefasst hab: Dies ist eines der wenigen Zombiespiele, wo Zombies tatsächlich die Gefahr sind. Während der gesamten Kampagne, im freien Spiel und in den Addons bekämpft man nicht ein einziges Mal andere Menschen – die für das Genre so üblichen Soldaten, Rocker und Banditen existieren entweder nicht oder coexistieren, weil Zombies. Allein dadurch wird State of Decay zu einer der positivsten, lebensbejahendsten und untotenverneinendsten aller Zombieapokalypsen. Das ist die Zombieapokalypse, in der ich leben möchte.

ITS BETTER WHEN YOURE BAD – Die meisten Spiele werden erst richtig gut, wenn man lernt, sie zu beherrschen. State of Decay ist genau andersrum. Da ich zu Beginn einige grobe Fehler machte, einige Spielmechaniken nicht verstand und dann auch noch mit ein paar Bugs zu kämpfen hatte, war mein erster Durchgang mit Abstand das packendste Spielerlebnis des Jahres., dessen einzelne Szenen sich bis heute in mein Hirn gebrannt haben. Wie meine erste Rettungsaktion einen der beiden Retter und allen drei zu Rettenden das Leben kostete; wie ich meine beste Kämpferin nur wenige Meter von meinem Safehouse in meiner ersten Begegnung mit einem Feral verlor; wie ich einem komatösen Infizierten anstatt per “humanen” Kopfschuss das Leben per Kopfzertretens nehmen musste, weil ich meine letzte Kugel im vorherigen Gefecht verschossen hatte; wie ich im winzigen Alamo-Imbiss ansiedeln musste, weil ich das schicke Grundstück mit dem Baumhaus nicht mehr fand (es war infested und wurde daher auf der Karte nicht als möglicher Ansiedelort angezeigt); wie dauernd Leute verloren gingen, weil ich zu spät bemerkte, dass ich meine Außenposten nach dem Umzug immer noch um die Anfangskirche liegen hatte und meine Crew demnach ständig über die ganze Map lief, um Nachschub zu holen; und schließlich, wie ich nur noch eine Ärztin hatte, ohne nennenswerte Kampf-, Renn- oder Schleichfertigkeiten, verletzt, so dass sie nur gehen konnte, und ich eine Nachricht bekam, dass meine (verloren gegangene) Superfrau Sam in der Nähe gesehen worden war; wie ich vorsichtig, ewig langsam und voller Angst, meinen Durchgang komplett zu verkacken, mit ihr von Haus zu Haus humpelte, hoffend, betend, dass ich Sam Hoffman fände, bevor mich ein Zombie fand. Und es klappte. Oah. So gut.