Marvel-Gazing

Es muss so 1990 gewesen sein, als ich mit 11 Jahren beim Raststättenbushalt auf der Klassenfahrt etwas erwarb, dass mein Leben bis heute, aber richtig richtig doll für die nächsten zehn, zwölf Jahre prägen sollte: Mein erstes Marvelcomic. Genauer gesagt so ein Condor-MARVEL-MAXI-Pocket, für das einfach zwei normale Taschenbücher zusammengeleimt wurden (gerne auch verschiedene, die dann mit dem gleichen Cover verkauft wurden), und es ging um die Fantastischen Vier. Natürlich kannte ich Superhelden von den Auslagen des Bahnhofskiosks und der Batmankinofilmplakatwerbung, dessen Logo ich lange nicht recht entziffern konnte weil ich dachte, das Goldene wäre relevant (ein M und zwei Zähne?), aber gelesen hatte ich bisher nur Phantomias, wo ich demnach die ganzen Anspielungen auch null verstand.

Nichts verstehen tat ich auch hier: Anstatt der versprochenen Vier waren es sechs Helden, aber zwei waren im Ruhestand, doch nicht so richtig, und wer waren die grüne Frau und die Steinfrau? Und jetzt ist der orangene Klotz plötzlich ein Mensch, aber auf einem anderen Planeten, häh? Nicht nur wurde ich in eine mir komplett fremde Welt geworfen, direkt in medias res einer Geschichte, die seit über 30 Jahren lief, sondern auch an verschiedene Punkte auf dem Zeitstrahl, dank der Veröffentlichungspolitk des Condorverlags, ihre Taschenbücher mit Stories aus verschiedenen amerikanischen Comicreihen zu füllen, die nicht zwingend parallel liefen.

Aber das, was mich heute abschrecken würde, weckte in dem kleinen Hendrik eine bisher ungekannte Faszination: Das Entdecken einer Welt, die so viel interessanter war als die echte, bestückt mit Anspielungen und Bezügen auf Ereignisse und Personen, von denen ich noch keinen Schimmer hatte, aber deren Kennenlernen für die nächsten Jahre meine Lebensaufgabe werden sollte. Heute könnte ich einfach die Marvelwikis durchforsten oder dank Digitalisierung chronologisch alte Serien Heft für Heft lesen, aber damals und mit den geringen Mitteln von 1,50 DM Taschengeld in der Woche (supermerkwürdig, das heute zu schreiben, wo ich locker das Zehnfache davon zur Verfügung habe!) hieß das, die diversen Second-Hand-Comicläden meiner Heimatstadt abzuklappern und so viel Material zu sammeln, bis zumindest manches darin Sinn ergab. Weil ich noch ein Kind war, brauchte ich keine Pinnwände, um Zusammenhänge, Bezüge und Folgen zu katalogisieren, das passierte alles in meinem noch flexiblen Gehirn (ich mache Marvelcomics und Magickarten dafür verantwortlich, dass ich in der 11. Klasse plötzlich außerstande zu sein schien, eine neue Fremdsprache zu lernen): Marvelcomics waren meine Dinosaurier, meine Pokemon.

Ich kaufte so viel ich konnte, und im Laufe der Zeit wuchs das alles zu einer nie kompletten, aber umfangreichen Menge an bedrucktem bunten Papier an. Doch als ich auf einem Rollenspielcon (jetzt schon ein paar Jahre später) die deutsche Ausgabe (Schmidt-Spiele!) des Marvel-Superhelden-Rollenspiels ersteigerte, schaltete die Begeisterung noch einen Gang hoch:

Nicht nur konnte ich endlich meine Freunde auch für meinen Superheldenkrams begeistern, nicht nur bekam ich wieder einen ganzen Haufen Helden und Schurken geliefert, von denen ich nie gelesen hatte, sondern ich hatte endlich konkrete Zahlen, wer jetzt wirklich wie stark, schnell und schlau war! Spider-Man kann, wenn er sich anstrengt, 10 Tonnen heben, der oben genannte orangene Klotz sogar 75 und Thor gar 100! Reed Richards ist schlauer als Bruce Banner! Und die Tatsache, dass ich nichts davon nachschlagen musste, obwohl ich mich seit 20 Jahren nicht mehr wirklich mit der Materie beschäftigt habe, bekräftigt meinen Spanischvorwurf, finde ich.

Bei einem Familienurlaub in Großbritannien entdeckte ich, dass es als Quellenbücher für das Rollenspiel alphabetisch sortierte Superhelden/schurkenkompendien gab, und obwohl mein Englisch damals noch recht brüchig war, konnte ich diesem Katzenminzeäquivalent für junge Nerds nicht widerstehen und las das alles so oft, bis ich es irgendwann verstand. An dieser Stelle sollte ich vielleicht einfügen, dass ich Zeit meines Lebens stets Nachschlagewerke diverser Coleur von vorne bis hinten durchgelesen habe, so dass der Mangel an Kontext, an tatsächlichem Comicinhalten wie Handlung oder mehr als ein Bild pro Seite mich in keinster Weise störte. Es ging hier auch nicht um Unterhaltung, es ging um Wissen!

Die Tragik der meisten ungestümen Begeisterungen ist ja, dass sie irgendwann nachlassen, und das war auch hier der Fall. Als ich älter wurde, hatte ich mehr Geld für Comics, aber es stellte sich leider heraus, dass ich die Sachen der späten 90er und frühen 2000er gar nicht so dolle fand. Und irgendwann im Studium zwang das Portemonnaie mich dann, einen harten Schnitt zu ziehen, was aufgrund der Einsicht, dass ich den ganzen Kram hauptsächlich nur aus Gewohnheit kaufe, nicht so schwer fiel. Umso schöner war es, in den letzten 10 Jahren oder so zu entdecken, dass meine Begeisterung durch das Marvel Cinematic Universe wieder ein bißchen hochkochte, teils sicherlich, weil ich viele der Comicvorlagen der Figuren und Prämissen kenne, und diese kurzen Freudenmomente von “Ach, das soll der sein!” und “Haha, das ist witzig weil…” genieße ich sehr.

Egal, eigentlich schreib ich das alles hier nur, weil ich vor Kurzem seit langer Zeit mal wieder durch eines der eingangs erwähnten MAXI-MARVEL-Taschenbücher blätterte, diesmal eins der New Mutants, einem Ableger der X-Men mit sehr jungen Helden, die ich stets sehr mochte, und was mir auffiel war Folgendes: Alter WTF, was geht denn mit der Übersetzung? Ich meine, ich war mir damals schon sicher, dass die häufigen Anspielungen auf den Film Bad Taste und das Bier Hacker-Pschorr auf dem Mist der Übersetzer gewachsen war, aber worüber ich nie nachdachte, war, dass die Originale im normalen Comicformat und handgelettert waren, die Taschenbuchvarianten aber nur knapp halb so groß und mit klobigen Druckbuchstaben geschrieben (sorry, lieber Schriftsetzer, mir fehlt hier das richtige Vokabular), demzufolge der Text halt massiv gekürzt werden musste, und der wenige Resttext, der blieb, wurde dermaßen über alle Sprech- und Gedankenblasen und Tetboxen gestreckt, dass auf der einen zufällig ausgewählten Doppelseite, die gerade neben mir liegt, 14 Ellipsen zu finden sind. Hier mal zwei Beispiele, direkter Vergleich Original und Übersetzung:

Da fehlen popkulturelle Anspielungen, die Eloquenz des Alienqueenripoffs geht weitestgehend verloren und inhaltlich stimmt da auch einiges nicht im ersten Bild. Ich will den armen Übersetzern gar keine Vorwürfe machen, aufgrund der Rahmenbedingungen hatten sie ja nun wirklich nicht die Möglichkeiten. Im Gegenteil: Ich finde es ungemein beeindruckend, dass sie mit so geringen Mitteln dafür sorgen konnten, dass ich als kleiner Kerl nicht nur der Handlung einigermaßen folgen konnte, sondern auch Sympathien für diese Figuren entwickeln konnte, obwohl so viel auf dem Weg verloren ging. Ich hab die gesamte Geschichte, aus der die Beispiele sind, in beiden Versionen gelesen, und natürlich ist die Vollversion besser, natürlich kriegt man viel tiefere Einblicke in das, was die Figuren fühlen und denken, aber im Großen und Ganzen geht auf Verständnis- und emotionaler Ebene weit weniger verloren, als ich anfangs dachte. Klar, einen großen Einfluss darauf haben natürlich auch die Zeichnungen, aber trotzdem.

Jedenfalls hab ich beim Versuch die Seiten einzuscannen aus Versehen eine Schwarzweißkopie hiervon gemacht

und das Monster hier unten links gesehen und gedacht: “Huh, wenn man das ausschneidet und links neben einen schlimmen Hot Take platziert…” und jetzt will ich ein Fanzine machen.

Best of 2018

Erinnert sich noch jemand an 2018? Ich mich nicht so richtig, und nach einem kurzem Blick ins Internetarchiv war das Schlimmste, was damals geschah, dass VIVA eingestellt wurde (zugegebenermaßen war das jetzt ein sehr kurzer Blick). Hätte mir jemand gesagt, dass ich nur zwei Jahre später täglich ein babyblaues Accessoire in der Fresse trüge, ich hätts angezweifelt. Kommt mit mir in diese Zeit der Unschuld, und labt euch an Erinnerungen schöner Spiele von vor den dunklen Stunden. Reihenfolge beliebig.

Into the Breach ist wahrscheinlich das beste Strategiespiel auf der ganzen Welt und ist nur 300 MB groß. Hat Schach neun unterschiedliche Spielerfraktionen? Hat Go Terrain? Sagt XCOM dir genau, was die Gegner in der nächsten Runde machen? Hat Fire Emblem haushohe Monster? Ist Civilization aufs Nötigste reduziert? Spielt sich eine Runde Crusader Kings 2 in einer Stunde? QED.

A Way Out landete wie damals Nidhogg 2 oder Samurai Gunn hauptsächlich auf dieser Liste aufgrund des Spaßes, den ich daran hatte, dass mit einem tatsächlichen Menschen vor dem gleichen Bildschirm zu spielen. Aber auch wenn die Story niemanden überraschen wird, der je einen Fernsehthriller gesehen hat, zeigen die Actionsequenzen, wie dynamisch Kameraübergänge auch in Spielen sein können, und ein paar kleine Momente absurden Humors brechen die gewohnte Ernsthaftigkeit des Genres. Das Ganze als CoOp-only zu verkaufen (einer kauft, zwei spielen, auch online) und die Spiellänge auf in einer Session schaffbar zu begrenzen ergibt mehr Sinn, als man von Spielepublishern gewohnt ist.

State of Decay 2 ist eine gelungene More-of-the-Same-Fortsetzung meines 2013er Lieblingspiels, also sollte es niemanden überraschen, dass es auch auf dieser Liste Erwähnung findet. Mehr Maps, mehr Waffen, mehr Zombies, mehr Events, mehr Basen, mehr Customisation, und hübscher siehts auch aus. Aber you can’t go home again, neu ist toller als verbessert und dass, was ich am meisten am Vorgänger liebte, dass man nie auf Menschen schießt, dass alle Überlebenden an einem Strang ziehen, findet sich in der Fortsetzung nicht wieder. Aber The Walking Dead ist wohl einfach zu präsent im Zombiekanon. Nichtsdestotrotz bleibt auch Teil 2 eins der wenigen Survivalspiele, die je meine Aufmerksamkeit halten konnten, und objektiv ist ist es natürlich besser. Aber wer ist schon objektiv?

Yoku’s Island Express wäre nur ein Tropfen im Fass der Flippermetroidvanias, aber die Tröte bringt alles zum Überlaufen und ist die Beste nichtkontextspezifische Tastenbelegung, seit Way of the Samurai 3 “Entschuldigen” auf den Controller legte. Ein für beide Genres ungewöhnlich sanfter Schwierigkeitsgrad und die drollige Präsentation helfen zugegebenermaßen auch.

Dead Cells ist halt das jährliche Roguelite, was mich für kurze Zeit wahninnig begeistert und dann irgendwann vom nächstjährigen Kandidaten abgelöst wird. Die bunte Mischung aus wahnwitzigen Waffenkombinationen, nervenaufreibenden Permadeathängsten und Geheimnissen über Geheimnissen ist schwer doch kurzweilig, wenn sie auch nie die Mörderpixelatmosphäre der allerersten Szene übertrifft.

Wo Earth Defense Force 5 draufsteht, ist Earth Defense Force drin. Aber schicker, zumindest auf der PS4 Pro unruckeliger, mit einem freundlicheren Waffenauflevelsystem und mehr Getier. Ich mag keine Shooter und ich mag kein Musou, aber EDF kriegt mich immer wieder. Super im Coop, außerdem.

Unavowed ist Buffy (also: Gruppe teils übernatürlich begabter guter Wesen jagt ebensolche, die Böses tun), mit dem Unterschied, dass es mir wahnsinnig gut gefällt. Frei von Teeniedrama wird Okkultes mit reellen Problem verquickt, in der Qualität, die man vom Autor der Blackwellreihe erwartet, und konfrontiert dich mit einer derartigen Vielzahl an Rätsellösungsmöglichkeiten (abhängig von vorherigen Entscheidungen und den begleitenden Gruppenmitgliedern), dass man glatt vergessen kann, wie alt das Point’n’Click-Genre eigentlich ist.

Return of the Obra Dinn ist für mich das einzige Spiel, das es geschafft hat, die Wunschvorstellung, Detektiv zu sein, über die Spielmechanik verlustfrei zu vermitteln. Während andere Titel sich in Genrekonventionen verheddern, deine Schlussfolgerungen vom Voranschreiten des Plots abhängig machen, stupides Rumprobieren belohnen oder dich mit ewiglangen Konversationen langweilen, ist man hier nicht mal ein echter Detektiv im klassischen Trenchcoat- bzw. Deerstalker-Sinn. Mehr so Leichenbeschauer trifft Tatortforensiker, wie ein Quincy, der sich zum “YEEEAAAAAA!” die Sonnenbrille aufsetzt. CSI Segelschiff. Ich schweife ab. Wie früher! Jedenfalls bestes Spiel mit Retrostandbildern, Hörspielhorror und Zeitreisen.

Red Dead Redemption 2 klingt toll, hat die besten Feiern, die wunderschönste Welt, die ich je in einem Spiel durchritt, den vielschichtigsten Protagonisten des Genres (citation needed) und weil Rockstar auf alles pfeift, was nicht Rockstar ist, ist es das vermutlich letzte große AAA-Spiel ohne Rollenspielelemente. Das haben sie schon bei GTA5 gemacht, aber ich finds so frech und damit so geil, dass optionale Nebenmissionen, Sammelquests etc. kaum bis gar keine Belohnungen als Zuckerbrot bieten.

Kein anderes Spiel nimmt sich (und damit dir) soviel Zeit (selbst Quick Travel dauert), aber ich feier das.

Spider-Man bietet den meisten Bewegungsspaß in Open World seit Prototype, hat phantastische Sprecher, meinen (medienübergreifend) Lieblings-Peter-Parker, coole Kostüme en masse und mich mit all dem so in den Bann gezogen, dass ich alle Nebenaufgaben inklusive Addons machte und meine erste Platintrophäe überhaupt holte. So richtig wird man seine alten Schwärme offenbar nicht los, und Spider-Man-Comics waren halt mein primärer Einstieg in all things Marvel, so um 1991 rum. Thwip thwip.

JuniJuliAugustSeptemberOktoberNovemberDezember

Nun.

Nachdem ich mir eben die ursprünglichen Idee noch einmal durchgelesen habe, muss ich berichten, dass von meinen Hoffnungen nicht wirklich viel in Erfüllung ging, von den ersten Monaten vielleicht einmal abgesehen, in denen ich das Ganze ja auch noch protokollierte. Im Juni kaufte ich dann, von einer Cerealienpackung angefixt, ein Jahr Gamepass, und das, kombiniert mit der geschenkten Switch, machte das Vorhaben dann irgendwie zunichte.

Ich mein, ich habs trotzdem durchgezogen, weil ich gut im Durchziehen bin, und weil die zwei Spiele, die ich am Allerallerliebsten haben wollte, mir von guten Freunden geschenkt wurden. Aber was ich mir von der ganzen Chose erhoffte, ist nicht wirklich passiert. Ich hab nicht ein Gratis-itch.io-Spiel installiert, nicht eins der inzwischen – oh fuck, 78?! Epicstoregeschenke gespielt, obwohl ich einige davon schon ganz schön gut fand, so von fern, von Twitch Prime und PS+ ganz zu schweigen. Nicht ein PS2-Spiel nochmal rausgeholt, kein neues Genre für mich entdeckt, die Motivation zum monatlichen Schreiben hielt auch nicht recht lang und trotz recht hohem Spielkonsum ist der Backlog nurmehr größer geworden.

Natürlich ist all das vollkommen okay, nach dem doch arg depressiven letzten Text im Mai gings mir recht schnell dann doch wieder gut (40 sein ist bei weitem nicht so schlimm wie 40 werden), und die Welt hat gerade eh größere Probleme. Aber irgendwie abschließen wollte ich die Artikelserie dann doch (Next Up: Teil 3 und 4 hiervon) , so sehr mich ihre Erstellung auch quälte. Der “DU MUSST DEN JUNITEXT FERTIGMACHEN”-Gedanke verhinderte über weite Strecken jedwedes Erstellen anderer, potentiell interessanterer Texte (seht ihr, wie positiv ich inzwischen wieder denken kann?), und verleidete mir gar so sehr das Schreiben, dass ich nicht einmal den “Best of 2017”-Artikel pünktlich zu Silvester fertigstellen konnte Schrägstrich wollte. Dass der Befreiungsschlag dann ausgerechnet in der Form von Mensch-ärgere-dich-nicht kommen würde, hat mich auch überrascht, aber das Leben schreibt halt die beklopptesten Geschichten.

Fazit: Ein Jahr auf Spielekaufen verzichten kann man machen, bringt aber nix.

Mensch ärgere dich nicht AAR

Dieser After Action Report behandelt eine Vierspielerpartie Mensch Ärgere Dich Nicht, ein nunmehr 113 Jahre altes Brettspiel, dessen Titel meines Erachtens nach viel zu wenig gefeiert wird. So die strategischen Möglichkeiten doch recht begrenzt sind und der Zufallsfaktor MÄDN für viele ernsthafte Brettspieler disqualifiziert, eignet es sich aufgrund ebendieser Faktoren, komibiniert mit einer jederzeit sehr guten Lesbarkeit der Spielsituation schon durch einen flüchtigen Blick aufs Brett, hervorragend für die abschließende Aufbereitung einer Partie, womit ich den Begriff After Action Report en passant erklärt hätte, als wäre es nichts.

Da meiner Version keine Anleitung beiliegt, halte ich diese Partie mit den Regeln ab, die mir aus meiner Kindheit in Erinnerung geblieben sind: Dreimal würfeln, wenn man keine Figur im Spiel hat, der Spawnpoint muss geräumt werden, so noch Figuren im Haus sind, und höchste Zahl fängt an. Auf Schlagzwang verzichte ich, um wenigstens ein Fünkchen Strategie zu ermöglichen. Folgende Variante sei hier noch kurz vorgestellt: Sobald eine Figur geschlagen wird, wird sie komplett aus dem Spiel entfernt. Diese Variante heißt Iron MÄDN. Ha ha.

Ich spiele alle vier Parteien (in Folge Rot, Schwarz, Gelb und Grün genannt), stets bemüht, die jeweils schlaueste Option zu wählen, jedoch gebe ich offen zu, bei weiten kein geübter oder guter Spieler zu sein – mir wäre es sicher niemals gelungen, meinen Titel als deutschen Meister zu verteidigen, wie es die Chiquitas 2010 schafften.

Eine kurze Anmerkung: Um das Format nicht zu sprengen und die Geduld des Durchschnittslesers nicht zu sehr zu strapazieren, beschränke ich das Bildmaterial auf jede fünfte Runde und belasse es dabei, die interessanteren Spielsituationen zu schildern. Um die Spannung während des Lesens noch zu erhöhen, empfiehlt es sich, möglichst früh eine Farbe als Favoriten zu wählen.

Die Startsituation – alle Parteien bekamen ihren eigenen Würfel, um das Festhalten der Ergebnisse zu erleichtern. Die angezeigte Würfelpunktzahl bestimmte Gelb als Startspieler. Und los gehts.


Während Schwarz und Rot bereits in der ersten Runde Figuren aufs Feld schicken konnten, mussten Grün und Gelb bis zur dritten bzw. gar vierten Runde warten, bevor sie tatsächlich teilnehmen durften – so schnell kann der unbestreitbare Vorteil, Erster zu sein, verpuffen. Kurz vor Aufnahme dieses Bilds schlug die führende rote Figur (in Folge Rot 1 genannt, gleiches Format für die anderen Farben) Schwarz 1 und war schon halb rum, während Gelb und Grün ihren eigenen Startbereich noch nicht verlassen hatten. Grün entging dem gleichen Schicksal, indem es mit der gewürfelten 1 nicht auf den roten Spawnpunkt zog, sondern Grün 2 bewegte. Schon in dieser frühen Phase wurde mir bewusst, wie wichtig es ist, mehrere Figuren auf dem Feld zu haben,um ebensolche Entscheidungen treffen zu können.


Wow, was für eine Runde 9! Rot hätte fast seine führende Figur verloren, was nur dadurch verhindert wurde, dass ich mich im letzten Moment noch erinnerte, dass die nach der 6 gewürfelte 2 ja genutzt werden muss, um den Spawnpunkt freizumachen. Grün hatte weniger Glück: Gelb, Rot und nochmal Rot in Runde 10 stellten alle seine drei Figuren zurück ins Häuschen. Was für ein Rückschlag nach einem ohnehin schon verhaltenen Beginn! Schwarz stand zu diesem Zeitpunkt recht gut, musste aber hoffen, dass Rot 1 vorbeizieht. Ein solch aufregender Auftakt ließ auf eine spannende Partie hoffen.


Oh, wie schnell sich das Blatt wendete. Rot wähnte sich in Sicherheit, nachdem am Ende von Runde 10 (siehe oben) Schwarz an seiner führenden Figur vorbeigezogen war, rechnete aber nicht mit der 6,5 von Gelb, die das ganze Spiel wieder öffnete. Schwarz brachte als erster alle Figuren aufs Feld, was den großen Vorteil gibt, gewürfelte Sechsen für die führende Figur zu nutzen, Gelb 1 stand prekär, aber kurz vor dem Haus, und auch Grün war wieder im Spiel. So spannend kann Mensch Ärgere Dich Nicht sein!


Ich weiß, was ihr jetzt denkt: Oh mein Gott, was ist denn nur Schwarz passiert? Nun, Gelb ist passiert. In Runde 16, 17 und 18 warf Gelb jeweils eine schwarze Figur raus, für den ersten Killstreak des Abends. Die Freude währte jedoch nur kurz, wurde Gelb 1 doch seinerseits Opfer von Grün, nur zwei Felder vom eigenen Haus entfernt. Grün beendete diesen für ihn exzellenten 5-Runden-Turnus mit dem Schlagen des letzten verbliebenden Schwarzen. Zu allem Unglück brauchte Schwarz vier Versuche, um wieder ins Spiel zu kommen, und verlor wertvolle Zeit. Rot hingegen nutzte die Möglichkeit, um sich klammheimlich wieder ins Spiel zu bringen.


In Runde 23 schaffte es Rot nach zwischenzeitlichem Führungsverlust, doch noch als erster ins Haus zu ziehen, dicht gefolgt von Grün nur zwei Runden später. Schwarz hattw Probleme, wieder ins Spiel zu finden, aber noch war ja alles offen. Viele Männchen auf dem Feld sorgen stets für aufregende Spielsituationen – würde es auch diesmal so sein? Lest weiter und erfahrt es!


Ich hab nicht zuviel versprochen, und ich fühle mich leicht überfordert, die Action der letzten Runde zu vermitteln, aber here goes: Unmittelbar in Runde 26, direkt nach der Aufnahme des vorherigen Fotos, schlug Grün 2 Rot 4 an dessen Spawnpoint, was immer riskant ist. So auch hier: Rot 4 kam stante pede zurück ins Spiel und schickte Grün 2 zurück in seine Ecke – Revenge Kill! Dann, in Runde 27, kams Schlag auf Schlag: Grün 2 schlug Rot 3, in der gleichen Runde schlug Schwarz 2 Rot 2 (verstehste, Schlag auf Schlag? Ha Ha), und der neue Rot 2 warf nur eine Runde später wiederum Grün 2 raus, fiel aber selber zwei Runden später durch Schwarz 2. Was für ein Gemetzel! Gelb war in diesem Fall der lachende Vierte und wanderte mit seiner ersten Figur in Runde 30 ins Häuschen.


Was für eine Aufholjagd von Schwarz! Nicht nur schlug er in 5 Runden vier Gegner (davon dreimal Rot – bahnte sich da eine Rivalität an?), nein, er machte das Ganze auch noch mit Style und einem Double Kill in Runde 34. Das Einziehen ins eigene Häuschen ist da nur noch das Sahnehäubchen. Alles war wieder offen. Für alle anderen liefs jetzt nicht so gut, aber immerhin konnten Gelb und Grün ihre Häuschenfiguren ganz nach oben setzen – ein Zug, der meines Erachtens immer so früh wie möglich gemacht werden sollte, da nichts ärgerlicher ist, als kurz vorm eigenen Ziel geschlagen zu werden, nur weil der vor einem nicht aufrückt. Wir sind hier schließlich bei Mensch Ärgere Dich Nicht, nicht in öffentlichen Verkehrsmitteln!


Vergleicht die beiden obigen Fotos, und ihr seht, dass es für Rot nicht vorwärts ging. Nach der bisherigen Action waren dies eher geruhsame 5 Runden, in denen alle Beteiligten die Zeit nutzten, um mal etwas Luft zu schnappen. Wenig gefallene Sechsen sorgten dafür, dass wenige Figuren auf dem Spielfeld waren, was weniger Konfrontationen zur Folge hat. Hoffen wir mal, dass das Spiel nach dem furiosen Auftakt nicht in konfliktfreies Im-Kreis-Laufen ausartet.


Wenig Spannendes in diesem Zeitabschnitt. Erwähnenswert war lediglich Gelb 2s Durchmarsch zum eigenen Hauseingang, dem in Runde 42 Grün 2 und in Runde 44 Schwarz 3 zum Opfer fielen. Gelb war am Zug und hoffte natürlich inständig auf eine 1-3, denn Schwarz 2 lauerte.


Gelb 2 zog verdient und sicher in Runde 46 ins Haus ein und stand nun, nach der 50. Runde, ziemlich gut da. Ansonsten passierte reichlich wenig, und selbt das Geschlagenwerden von Schwarz 2 durch Rot 2 in Runde 49 brachte kaum Stimmung in die Bude. Sollte das wirklich so weitergehen?


Gelb schlug Rot, Schwarz schlug Gelb, Gelb schlug Schwarz, Grün schlug Gelb und Rot schlug Gelb. Wie in einem richtigen Vierspielerspiel hauten alle auf den Führenden ein, bis er das nicht mehr war. Es ist nicht nur einsam an der Spitze, es kann auch echt frustrierend sein und dazu führen, dass alle versuchen, bis kurz vor Schluss der Zweitbeste zu sein. Doch zurück zur Action auf dem Brett: Rot nutzte die Möglichkeit um an der Spitze auszugleichen, Grün stand kurz davor, Schwarz bekam einfach keinen Fuß auf den Boden. Ein nicht zu unterschätzender Vorteil für Rot in dieser Phase des Spiels: Alle Figuren auf dem Feld.


Gelb schaffte es in Runde 56 endlich wieder aufs Feld, nur um von Grün 2 auf dem Weg ins eigene Heim umgehend zurückgeschickt zu werden. Wer hätte je gedacht, dass ein Spiel, das fast nur auf Zufall basiert, nach 60 Runden so ausgeglichen sein könnte?? Rot weiterhin in der Favoritenrolle.


Gelb gab nochmal alles und schickte in den Runden 62 und 63 die dritten Roten und Grünen zum Start zurück. Schwarz nutzte das gelichtete Feld, um mit seiner zweiten Figur dem Haus nahezukommen. So interessant die Figurenballung rund ums schwarze Haus in dieser Phase auch war, bleibt es doch ein Faktum, dass der Spannungsfaktor von Mensch Ärgere Dich Nicht gen Ende stetig abnimmt. Aber im Gegensatz zu anderen Gesellschaftsspielklassikern wie Monopoly, Risiko, Malefiz und Trivial Pursuit zieht sich das Endgame seltener. Hoffen wir, dass dies auch diesmal der Fall war.


Runde 66 hatte es in sich und machte die gelegentlichen Längen dieser Partie mehr als wett (zum besseren Verständnis bitte obiges Spielbrett zu Runde 65 betrachten): Gelb 3 zog zwei Felder vor und schlug Rot 3, und Rot reagierte mit dem Play of the Game: 6, 6, 4. Was heißt das? Der gerade geschlagene Rote kam zurück ins Spiel als Rot 4, die nächste 6 bedeutete umgehende Rache an Gelb 3, und die 4 sorgt dafür, dass Schwarz, der sich eigentlich sicher fühlte, nachdem Grün 3 vorbeizog, vor dem eigenen Haus geschlagen wurde. Die restlichen Runden gehörten Grün allein, als er in den Runden 67, 68 und 70 die führenden Figuren von Rot, Gelb und Schwarz herauswarf. Plötzlich wurde es wieder spannend.


Grün 3 zog als Erster Dritter in Runde 74 ins Haus ein (mit einer Würfelreihe, die schlichtweg unverschämt war: 4, 5, 5, 6, 6, 4, 5) und kegelte auf dem Weg nochmal Schwarz 2 raus, weil jeder gern auf den Letzten einhaut. Ganz bitter: Gelb schaffte es ab Runde 6 vier Runden lang nicht, seine Ecke zu verlassen, und verlor jede Hoffnung auf einen Sieg. Schwarz schien der Einzige zu sei, der den letzten Grünen noch aufhalten kann. Ob seine zwei Figuren vor und hinter Grün 4 es schaffen würden? Verzeiht bitte, dass ich in den letzten beiden Fotos den Rundenmarker nicht photographisch festhielt – es war einfach zu aufregend!


Nein. Schwarz ließ sich austänzeln und schlagen, und auch der frischgespawnte Gelb 4 konnte Grün 4 nicht daran hindern, die oft schwere Punktlandung auf dem letzten Hausplatz im zweiten Versuch zu meistern. Ein verdienter Sieg, bedenkt man, dass ab Runde 67 niemand außer Grün geschlagen hat. Rot stand gut für einen zweiten Platz, aber den auszuspielen fehlte mir die Geduld und das Interesse. Eine Partie mit Höhen und Tiefen, aber interessantem Verlauf. Dies war meine erste Partie Mensch Ärgere Dich nicht in vielleicht zwanzig Jahren, und sicherlich gewann das Spiel dadurch, dass ich nicht nur eine Partei spielte. Aber ich genoss die kurzen Momente des Abwägens, ob es schlauer wäre, die führende Figur zu setzen oder die Chance auf das Rausschmeißen einer weiter hinten stehenden Figur zu verringern. Das Abwartespiel, hintere Figuren zu ziehen, um die Chance auf das Rauswerfen einer nur wenige Felder vor einem stehenden Figur nicht zu verlieren oder gar selber von ihr rausgeworfen zu werden, erzeugten zumindesteinen Hauch von interessantem Gameplay. Aber diese Momente sind selten und nur selten nicht eindeutig, und so lange man nur eine Figur auf dem Feld hat, ist MÄDS zu willkürlich.

Folgend noch ein paar Statistiken:

Man mag es kaum glauben, aber Verlierer Schwarz lief tatsächlich im Lauf des Spiels die meisten Felder, 275 in 80 Runden. Das ergibt einen Schnitt von 3,4375 Feldern pro Runde, was zwar nah am Würfeldurchschnitt von 3,5 liegt, aber man muss bedenken, dass die Sechsen zum Rauskommen nicht dazugezählt wurden. Absteigend folgten Gelb (265, 3,3125), Rot (257, 3,2125) und kurioserweise auf dem letzten Platz Sieger Grün (253, 3,1625). Die Werte sind naturgemäß sehr eng beieinander, aber aufgrund des reziproken Verhältnis zum Endergebnis beachtenswert.

Deutlich relevanter bezüglich der Siegchancen scheint das Schlagen zu sein. Sieger Grün schlug insgesamt 14 andere Figuren, dicht gefolgt von Gelb und Rot mit je 13. Schlusslicht Schwarz kann dagegen nur 8 aufweisen. Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen, und so führt Schwarz zu seinem Leidwesen die Liste der am häufigsten Geschlagenen mit 16 an, gefolgt von Rot (13) und Gelb (11). Sieger Grün wurde lediglich achtmal geschlagen, davon dreimal in der 9./10. Runde, also sehr früh im Spiel. Es wundert nicht, dass das Vermeiden des Geschlagenwerdens der wichtigste Aspekt des Siegs ist – interessanter ist die Varianz in einem so zufälligen System, aber ich bin ja auch kein Statistiker.

Der schlimmste Mai, den es je gab

Es wäre ziemlich cool, wenn ich eine Überleitung zu einem der weiter unten beschriebenen Spiele mit “Augenwischerei” oder “hinters Licht führen” machen könnte, weil dann sähe das so aus, als ob ich einen eleganten Übergang vom Apriltext zu diesem hier von vornherein geplant hätte. Andererseits ist jetzt ja schon Mitte September und niemand erinnert sich mehr an irgendwas.

Ich hab Anfang Mai Gamepass für drei Monate geholt, weil es da ein Superangebot gab, mir die Festplatte mit Spielen vollgehauen und dann fast bis zum Ende des Monats rein gar nichts davon gespielt, weil ich tieftief

Spiel des Monats: Yakuza 0

(danke, PS+!) verfallen war. Ich kannte die Serie bis dato nur vom Hörensagen und was ich sagen hörte klang jetzt nicht so verführerisch, halt irgendwas von Shenmue plus Bekloppt plus Minispiele. Ich hätte nie geahnt, dass es von diesen Zutaten schlussendlich nicht die Beknacktheit sein wird, die mich an die Konsole fesseln würde, sondern eine der besterzählten Geschichten, die ich seit langem erleben durfte.

Ich mein, die Beklopptheit Yakuza Zeros ist weithin dokumentiert und ich will eure wertvolle Lesezeit nicht mit Beispielen verschwenden (jedoch gerate ich immer noch in Verzückung, wenn ich daran denke, wie die -gonisten sich ihrer Oberkörperbekleidung entledigen), aber niemand warnte mich, dass nebenher ein japanisches Rachedrama/Thriller/Gangsterfilm läuft, mit einem Haufen interessanter Charakteren, die alle energisches Japanisch sprechen (ich weiß nicht, ob man das umstellen kann, das fühlte sich so richtig an), fantastischer Gesichtsgrafik (NASENPOREN), und echten Emotionen, die mich eiskalt erwischten, zumal das hier ja ein Prequel ist, dass daher natürlich noch besser funktioniert, wenn man die Charaktere und ihr zukünftiges Schicksal schon kennt. Dass Sega es schafft, zwischen all dem und dem Irrwitz drumherum die Balance zu halten, ist wundersam. Das ist doch ein schönes Schlusswort, breiten wir also den Mantel des Schweigens über dieses Thema, bevor ich zugeben muss, wieviele Stunden ich spielte, um der beste Carrerafahrer der Stadt zu werden.
40 werden ist ungleich härter als 40 sein. Einerseits war ich mir bewusst, dass ich jeden Tag älter werde und einem 365,25-Turnus, geschweige denn dem zehnfachen davon, keine Bedeutung zukommt. Andererseits litt ich wie ein Hund und verbrachte große Teile des Mais damit, mich in Videospiele zu flüchten.

Graveyard Keeper (danke, Xbox Gamepass!) war wie gemacht dafür, und ich bingete das hart. Ich erwartete ein Harvest Moon mit Friedhof und bekam die spielerische Version von “Ein Loch ist im Eimer”.

Wenn du beispielsweise ein richtig gutes Gebet craften möchtest, damit die Besucher deiner Kirche möglichst viel spenden und dir viel Glauben schenken, brauchst du ein richtig gutes Buch, etwas Glauben und einen Schreibtisch. Für das gute Buch brauchst du einen guten Festeinband und ein gutes Kapitel Geschichten. Für den guten Festeinband brauchst du einen mittelguten Festeinband und Goldverzierungen. Für die Goldverzierungen brauchst du einen Goldbarren, Stahlteile und etwas Glauben (ja, das ist sowas wie ne Universalwährung für “Mühe” oder so). Für Stahlteile braucht man einen Barren Stahl, zwei Keramikschüsseln und Brennstoff, um die Schmelze anzuheizen. Für die Keramikschüsseln braucht man Ton, Wasser und eine Töpferscheibe. Für die Töpferscheibe braucht man Holzbretter, Steine und Nägel. Für die Nägel braucht man einen Eisenbarren und einen Amboss. Den Eisenbarren kann man sich ganz einfach aus einem Stück Eisenerz herstellen, wenn man eine Schmelze hat. Und das Eisenerz kann man in der Mine abbauen, mit der Spitzhacke, die man sich am Holzamboss aus einem Stock, einfachen Eisenteilen und einem Eisenbarren selber schmieden kann. Also alles ganz einfach!

Eigentlich gibt mir Craften nicht viel, aber Graveyard Keeper setzt dich nie unter Druck. Zwar hat man eine Ausdauerleiste, die man mit Speisen, Tränken oder Schlaf wieder auffüllen muss, um weiterzuarbeiten, aber es gibt keinerlei Malus, wenn man Arbeiten unbeendet zurücklässt, keine regelmäßige Miete, die man entrichten muss, keine Spielzeitbegrenzung auf ein Jahr oder dergleichen. Zwar gibt es ein Spielziel und eine Story, aber wieviel Zeit man sich damit lässt, bleibt einem selbst überlassen. Und weil es so verdammt viel zu tun gibt, ist es furchtbar einfach, sich konstant ablenken zu lassen von dem, was man eigentlich tun wollte, weil man im Vorbeigehen irgendwas sieht, was grad spannender ist. Graveyard Keeper ist das einzige Spiel, das ich je spielte, bei dem ich nach dem Laden des Spielstands ins Inventar gucke, um herauszufinden, was ich eigentlich gerade machen wollte. Ach so, ich hab die Steine und das Marmor und den Meißel, ich wollt Grabsteine bauen! Wer ob des Titels dachte, es drehe sich alles um den Friedhof, irrt enorm: Weiterhin kümmert man sich um die bereits genannte Kirche, weidet die gelieferten Leichen aus und balsamiert sie ein, versucht sich an Alchemie, schreibt Geschichten, kloppt sich durch einen Dungeon, wird Großhändler, bewirtschaftet ein Feld, pflanzt Bäume, repariert Brücken und Straßen, angelt, dekoriert und baut Gerätschaften, an denen ihr Dinge herstellt, mit denen ihr all das genannte machen könnt.

Andererseits hat das Spiel einen etwas merkwürdigen Humor und war für ein paar Tage um meinen Geburtstag rum komplett unspielbar, weil durch ein Update ein paar üble Bugs ins Spiel krochen, wovon die Schlimmsten inzwischen aber wieder behoben wurden und der eine, der mir noch auffiel, umgehbar war. Und nachdem ich durch war, hatte ich auch keinerlei Verlangen, das je wieder anzufassen. Aber für die schlimme Phase direkt vor dem 40. war das echt ein Geschenk.

Der Geburtstag selber war durchaus erinnerungswürdig. Ich musste arbeiten, war die Tage vorher ob der großen 4 sehr bedrückt und wollte nur, dass der Tag irgendwie kommt und geht. Am Morgen war ich dann zum Glück entspannter, bekam Geschenke und Anrufe, aß Kuchen unter einer cheesy Kindergirlande, freute mich und ging zur Arbeit. Was ich nicht wusste: Meine Frau hatte meine Mutter und ihren Mann (also den von meiner Mutter) eingeladen, um mich abends zu überraschen, und als ich dann abends in die Wohnung kam, saßen sie stillschweigend in der Ecke des Wohnzimmers. Da ich spät nach Hause komme, steig ich gemeinhin nach dem Nachhausekommen erstmal aus der Arbeitskleidung und schlüpfe in die Schlafsachen. Just in dem Moment fiel ein Ende der Girlande von der Wand, und unser Kater ging hin, um interessiert daran zu schnüffeln. Auf meinem Weg ins Schlafzimmer sah ich, wie er an etwas roch, was ich nicht erkannte, und während meine Frau versuchte, mich ohne alles zu verraten zu überzeugen, dass ich mich vielleicht umziehen sollte, BEVOR ich ins Wohnzimmer gehe, nahm ich Jogginghose und T-Shirt lediglich in die Hand und ging direkt zum Kater – Beschützerinstinkt, ich kann nichts dafür. Als ich – nun nur noch in Unterbuchsen – erkannte, dass das nur die Girlande war, versuchte ich, die Jogginghose anzuziehen, blieb mit dem Fuss im Hosenbein stecken, wackelte halb umfallend hin und her, Plautze durch den Raum wabbelnd, während meine Frau hinter mir panische Blicke abwechselnd auf mich und meine Mutter und deren Mann warf, und in dem Moment sah ich die dann auch, sie, die bei der ganzen Show nicht einen Laut von sich gegeben hatten und dann erst ob meines panischen Gesichtsausdruckes in Lachen ausbrachen, während mein innerer Monolog ausdikutierte, ob ich wegrennen soll oder irgendwie versuchen, die Situation zu retten. Hab im Endeffekt beides nicht gemacht und dann auch (irgendwann) mitgelacht, aber meine Herren, sowas wünsch ich niemandem.

Naja, jedenfalls bekam ich eine Switch mit Mario Odyssey und Yoshi’s Crafted World und Octopath Traveller sowie Spider-Man für die PS4 und son Teil hier, was summa summarum mein Vorhaben, keine Spiele zu kaufen, dadurch erschwert, dass ich jetzt tatsächlich das bald erscheinende Fire Emblem spielen könnte und natürlich der Berg an Ungespieltem um 204 erhöht wurde. Was willste machen.